Das Gericht entscheidet durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die vormals zuständige 6. Kammer ihm den Rechtsstreit durch Beschluss vom 27. Juni 2017 gemäß § 76 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) zur Entscheidung übertragen hat.
Der Einzelrichter konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, denn die Beklagte wurde in der Ladung nach § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf diese Rechtsfolge hingewiesen.
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Mai 2017 ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn der Kläger hat in dem nach § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling ist und keiner der dort aufgeführten Ausschlussgründe vorliegt.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Als Verfolgung im vorgenannten Sinne gelten ausweislich § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
Als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG können ausweislich § 3a Abs. 2 AsylG unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (Nr. 1), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (Nr. 2), unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3), Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung (Nr. 4) oder Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind, (Nr. 6) gelten. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut voraus (BVerwG, Urteil vom 22. Mai 2019 - 1 C 11/18 - juris, Rn. 14).
Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer - bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr - die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zu diesem Maßstab im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31/18 - juris, Rn. 15 ff.).
In Anwendung dieser Maßstäbe ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Denn in Anbetracht der Gesamtumstände kann bei vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klägers Furcht vor politisch motivierten (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG) Verfolgungshandlungen im Sinne des ... ... ... § 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 4 AsylG durch föderale russische, jedenfalls regionale tschetschenische Sicherheitsbehörden auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation hervorgerufen werden. Die Handlungen, die dem Kläger drohen, sind auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte des Klägers darstellen würden. Der Kläger muss eine Verletzung des in Art. 2 EMRK verankerten Rechts auf Leben, des in Art. 3 EMRK absolut nach Art. 15 Abs. 2 EMRK garantierten Verbots der Folter, unmenschlichen und erniedrigender Behandlung und Strafe, des in Art. 5 EMRK verbürgten Rechts auf Freiheit und Sicherheit, des in Art. 6 EMRK gesicherten Rechts auf ein faires Verfahren und der in Art. 10 EMRK zum Ausdruck kommenden Freiheit der Meinungsäußerung befürchten.
Der Kläger hat schriftsätzlich unter Vorlage von umfassendem Anschauungsmaterial und während seiner eingehenden informatorischen Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts glaubhaft und mit der erforderlichen Substanz vorgetragen, dass ihm aufgrund der besonderen Umstände seines nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfallsin der Russischen Föderation landesweit Repressalien bis hin zur gezielten Tötung durch föderale russische, jedenfalls regionale tschetschenische Sicherheitsbehörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Er hat überzeugend dargelegt, dass er im Rahmen des ersten und zweiten Tschetschenienkriegs aktiv auf Seiten der tschetschenischen Separatisten gekämpft hat, dass er sich während eines einmonatigen Aufenthalts in der Türkei auf einer öffentlichen Beerdigung mit einem im Auftrag des Föderalen Inlandsgeheimdienstes (FSB) ermordeten Mitglied der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung solidarisiert hat, nach dem Rückflug auf dem Flughafen in Moskau vom FSB festgenommen und befragt wurde, daraufhin von tschetschenischen Sicherheitsbehörden von Moskau nach Grozny zurückgeführt wurde, anschließend Folter, Gewalt, Erpressung und eine Todesdrohung durch Spezialeinheiten Kadyrows erleiden musste, sich zur Ermordung im Exil in der Türkei lebender ehemaliger Kämpfer verpflichten musste und sich trotz dieser Umstände seit der anschließenden Flucht in die Bundesrepublik Deutschaland öffentlichkeitswirksam im Rahmen der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung in einem nach dem russischem Strafgesetzbuch strafrechtlich relevantem Umfang exilpolitisch engagiert. Damit gehört der Kläger gerade nicht zu den politisch unverdächtigen Tschetschenen, bei denen regelmäßig von einer inländischen Fluchtalternative auszugehen ist. Vielmehr fällt er in den Personenkreis, der glaubhaft verdächtigt wird, ein aktiver Unterstützer des Separatismus zu sein. Damit besteht die reale Möglichkeit, dass er im Anschluss an die amtliche Registrierung oder eine Polizeikontrolle auf dem Gebiet der Russischen Föderation - wie bereits einmal in Moskau geschehen - ggf. unter Mithilfe föderaler Behörden von den tschetschenischen Sicherheitsbehörden aufgespürt, verhaftet und nach Tschetschenien zurückgeführt wird und ihm dann eine langjährige Gefängnisstrafe bis hin zur gezielten Tötung drohen.
Leitend für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft waren im Wesentlichen folgende, klägerseits glaubhaft vorgetragene, mit dem einschlägigen Erkenntnismaterial übereinstimmende und damit zur Überzeugung des Gerichts für die Entscheidungsfindung feststehende Geschehen:
Der Kläger war Kämpfer der tschetschenischen, für die Unabhängigkeit von Russland kämpfenden Armee im ersten und zweiten Tschetschenienkrieg. Im ersten und zu Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs kämpfte er unter dem Kommandeur Aslanbek Ismailov und anschließend nach dessen Tod unter der Kommandantur von dessen Bruder Hanpash Ismailov. Der Kläger war als Personenschützer der Kommandeure tätig. Aslanbek Ismailov kämpfte an der Seite von Shamil Bassajew, der tschetschenischer islamistischer Terrorist und Rebellenführer und dabei für zahlreiche Anschläge und bewaffnete Überfälle auf dem Gebiet der Russischen Föderation verantwortlich war. Bis zu seinem Tod im Jahre 2006 galt Bassajew als der meistgesuchte Mann Russlands. Die russische Regierung hatte nach der von ihm in Auftrag gegeben Geiselnahme von Beslan im Jahre 2004, bei der 331 Geiseln gestorben sind, umgerechnet gut acht Millionen Euro auf ihn ausgesetzt (https://www.deutschlandradio.de/bassajew-bekennt-sich-zu-geiselnahme-von-beslan.331.de.html?dram:article_id=198521).
Des Weiteren solidarisierte sich der Kläger in der Türkei Anfang des Jahres 2015 öffentlichkeitswirksam mit dem im Auftrag des FSB ermordeten und mit dem Kläger befreundeten Turko Saduev, der seinerseits Vertreter des islamistischen tschetschenischen Kämpfers Doku Umarov in der Türkei war. Im Jahr 2007 rief Doku Umarov das transethnisch-jihadistische „Kaukasische Emirat“ aus, welchem er bis zu seiner Tötung im September 2013 als Emir vorstand. Das „Kaukasische Emirat“ war eine islamistisch-extremistische Abspaltung von der national-separatistischen ausgerichteten „Tschetschenischen Republik Itschkerien“ (CRI), der der Kläger angehört. So reiste der Kläger am 23. Februar 2015 für etwas mehr als einen Monat aus Moskau in die Türkei, um Hanpash lsmailov und befreundete, ehemalige und weiterhin in die tschetschenische Separatistenbewegung aktiv eingebundene Mitkämpfer zu besuchen. In lstanbul nahm er an der Beerdigung von Turko Saduev teil und ließ sich mit dessen Vater fotografieren. Die Beerdigung fand öffentlich statt und umfasste einen überschaubaren Personenkreis von 30 bis 40 Personen. Zudem nahm der Kläger während seines Aufenthalts in Istanbul Ende Februar 2015 an einer russlandkritischen Demonstration teil, bei zur Sprache gebracht wurde, wie Tschetschenen in der Russischen Föderation gequält werden.
Darüber hinaus ist der Kläger in den Fokus des FSB und der tschetschenischen Sicherheitsbehörden geraten. Am 25. März 2015 flog der Kläger von Istanbul zurück nach Moskau. Nach der Landung auf dem Flughafen in Moskau legte der Kläger im Rahmen der Passkontrolle seinen Pass vor. Die Frau an der Passkontrolle gab daraufhin Männern aus einem benachbarten Raum ein Signal. Daraufhin beschlagnahmte ein Mann den Pass des Klägers und gab ihm auf zu warten. Die restlichen Passagiere durften passieren. Nach einer halben Stunde kam ein Mann und gab dem Kläger auf, ihn in einen Raum zu begleiten, in dem den Kläger vier Männer erwarteten. Einer der Männer trug eine Polizeiuniform, die restlichen Männer waren in Zivil gekleidet. Auf Nachfrage des Gerichts führte der Kläger in diesem Zusammenhang aus, dass sich die Männer nach seiner Erinnerung als Mitarbeiter des FSB vorgestellt hätten. Jedenfalls habe man es ihnen angesehen, denn nur einfache Polizeibeamte würden Polizeiuniformen tragen. Zudem hätten sie eine Befragung durchgeführt, die spezielle Fragen umfasst habe. Der Kläger musste daraufhin zwischen drei bis vier Stunden warten. Auf Nachfrage wurde ihm gesagt, dass er verdächtigt werde in Syrien gewesen zu sein, um dort an terroristischen Aktivitäten teilzunehmen, und Datenträger aus der Türkei nach Russland geschleust zu haben. Anschließend kamen vier weitere, ebenfalls in Zivil gekleidete und bewaffnete Männer in den Raum. An den Händen des Klägers wurden Handschellen angebracht und er wurde zu dem Moskauer Flughafen Wnukowo verbracht und in Begleitung von zwei der Männer mit einer Passagiermaschine nach Grosny geflogen. Nach der Identität der Männer gefragt, führte der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, dass es sich um vier Tschetschenen und Männer von Adam Delimchanow gehandelt haben müsse. Adam Sultanowitsch Delimchanow ist ein tschetschenischer Politiker, der seit 2007 Mitglied der russischen Staatsduma für die Partei Einiges Russland ist. Er ist ein enger Mitarbeiter sowie Cousin des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow. Ihm wird äußerste Brutalität nachgesagt. Danach gefragt, woher er wisse, dass es die Leute von Delimchanow gewesen seien, antwortete der Kläger vor Gericht, dass ihm das sofort klar gewesen sei, denn ansonsten wären die Männer nicht im Stande gewesen in derart kurzer Zeit nach Moskau zu fliegen. Zudem hätten sie über Geschäfte in Moskau gesprochen.
Hinzu kommt, dass der Kläger Folter, Gewalt, Erpressung und eine konkrete Todesdrohung durch Spezialeinheiten Kadyrows erfahren hat und zur Kollaboration mit den tschetschenischen Sicherheitsbehörden genötigt wurde. Nach der Landung in Tschetschenien wurde der Kläger von einer Spezialeinheit von Ramsan Kadyrow in einen Verhörraum verbracht und an zweit Tagen jeweils über mehrere Stunden bis zur Bewusstlosigkeit körperlicher Gewalt und Folter ausgesetzt. Er wurde in Bezug auf seinen Aufenthalt in der Türkei sowie über einen mutmaßlichen Aufenthalt in Syrien befragt. Der Kläger wurde dazu aufgefordert, Informationen über Syrien und einzelne Personen in der Türkei preiszugeben. Er wurde unter der Androhung, dass er ins Gefängnis gesteckt oder getötet werde, dazu aufgefordert, in die Türkei zu gehen, um ehemalige Kämpfer auszuspielen bzw. zu töten. Dem stimmte der Kläger schlussendlich zu und unterzeichnete eine entsprechende Verpflichtungserklärung. Er verpflichtete sich zudem, Stillschweigen über seine Festnahme zu bewahren. Unter Missachtung dieser gegenüber den tschetschenischen Sicherheitsbehörden abgegeben Versprechen flüchtete der Kläger unmittelbar nach seiner Freilassung aus der Russischen Föderation.
Schlussendlich engagiert sich der Kläger trotz der Tatsache, dass er in den beiden Tschetschenienkriegen für die Unabhängigkeit Tschetscheniens von der Russischen Föderation gekämpft hat und bereits in den Fokus der föderalen und tschetschenischen Sicherheitsbehörden geraten ist, seit der Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland öffentlichkeitswirksam exilpolitisch im Rahmen der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung. Er besitzt einen „Pass“ der „Republik Itschkeria“. Zudem nimmt er regelmäßig an Versammlungen für die Unabhängigkeit Tschetscheniens teil und ruft aktiv zur Teilnahme an entsprechenden Demonstrationen auf. Bei den Versammlungen werden nach den Angaben des Klägers viele Fotos gemacht, die dann anschließend ins Internet gestellt werden. So fanden etwa Demonstrationen vor dem Brandenburger Tor am Pariser Platz in unmittelbarer Nähe der Russischen Botschaft als auch vor dem Russischen Konsulat in Berlin statt. Die Demonstrationen umfassen nach den Angaben des Klägers in der Regel eine überschaubare Zahl von ca. 20 bis 40 Leuten. Dabei wird unter anderem an die Deportation der Tschetschenen unter Stalin gedacht. Außerdem nahm der Kläger regelmäßig an dem Gedenktag zur Beendigung des ersten Tschetschenienkrieges teil. Zudem nahm der Kläger auch an der Beerdigung des Georgiers mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit Selimchan Changoschwili teil, der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Kammergerichts Berlin im Rahmen des „Tiergartenmord“- Prozesses (Urteil vom 15. Dezember 2021 in Sachen 2 StE 2/20, juris) am 23. August 2019 im Kleinen Tiergarten des Berliner Ortsteils Moabit durch den russischen Staatsbürger Wadim Nikolajewitsch Krassikow im Auftrag des russischen Geheimdienstes FSB ermordet wurde. Nach den Gründen für die Teilnahme an der Beerdigung gefragt, führte der Kläger aus, dass Changoschwili - wie der Kläger selbst - in den Tschetschenienkriegen aktiv gekämpft, nach Deutschland gekommen und hier an russlandkritischen Demonstrationen teilgenommen habe. Darüber hinaus nahm der Kläger auch kürzlich an einer Demonstration Ende Oktober 2022 teil, die zum Zwecke der Feier der Anerkennung der Unabhängigkeit der „Tschetschenischen Republik Itschkeria“ durch die Ukraine stattgefunden hat (https://www.europeantimes.news/de/2022/10/die-ukraine-hat-die-unabh%C3%A4ngigkeit-der-tschetschenischen-republik-ichkeria-anerkannt/). Die Teilnahme an den vorbezeichneten Demonstrationen hat der Kläger durch entsprechendes Fotomaterial substantiiert.
Der Kläger hat sein Verfolgungsschicksal in der mündlichen Verhandlung lebensnah und anschaulich vorgetragen. Er konnte gezielte Nachfragen des Gerichts stets direkt, ruhig, ohne Nachzudenken und zu Zögern sehr detailreich beantworten. Die Verhandlung bot zu keinem Zeitpunkt Anzeichen für einen wahrheitswidrigen Vortrag. Die Art und Weise der Schilderung der Ereignisse legt nahe, dass es sich um durch den Kläger selbst erlebte Geschehen handelt.
Die Ausführungen des Klägers korrespondieren auch mit den einschlägigen Erkenntnismitteln.
In Tschetschenien hat Ramsan Kadyrow ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen. Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen. Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet Kadyrow unterschiedliche Formen von Gewalt an. Die Bekämpfung von Extremisten geht laut glaubwürdigen Aussagen von lokalen Nichtregierungsorganisationen (NROs) einher mit rechtswidrigen Festnahmen, Sippenhaft, Kollektivstrafen, spurlosem Verschwinden, Folter zur Erlangung von Geständnissen, fingierten Straftaten, außergerichtlichen Tötungen und Geheimgefängnissen, in denen gefoltert wird. Dies kann auch außerhalb Russlands stattfinden. Kadyrow steht im Verdacht, die Ermordung von unliebsamen Personen, die ins Ausland geflohen sind, angeordnet zu haben. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend. Recherchen oder Befragungen von Opfern vor Ort durch NROs sind nicht möglich; Regimeopfer müssen mitsamt ihren Familien aus Tschetschenien herausgebracht werden. Ramsan Kadyrow äußert regelmäßig Drohungen gegen Oppositionspolitiker, Menschenrechtsaktivisten und Minderheiten. Teilweise werden Bilder von Personen dieser Gruppen mit einem Fadenkreuz überzogen und auf Instagram veröffentlicht, teilweise droht er, sie mit Sanktionen zu belegen, da sie Feinde des tschetschenischen Volkes seien, oder er ruft ganz unverhohlen dazu auf, sie umzubringen. Bestimmte Gruppen genießen keinen effektiven Rechtsschutz. Hierzu gehören neben Oppositionellen, Regimekritikern und Menschenrechtlern auch Frauen, welche mit den Wertvorstellungen ihrer Familie in Konflikt geraten, LGBTI-Personen und diejenigen, die sich mit Republikoberhaupt Kadyrow bzw. seinem Clan angelegt haben. Regimekritiker und Menschenrechtler müssen mit Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten und physischen Übergriffen bis hin zum Mord rechnen. Auch in diesen Fällen kann es zu Sippenhaft von Familienangehörigen kommen. Der Menschenrechtsaktivist und Leiter des Memorial-Büros in Tschetschenien, Ojub Titijew, wurde nach Protesten aus dem In- und Ausland inzwischen unter Auflagen aus der Haft entlassen. Er war wegen (wahrscheinlich fingierten) Drogenbesitzes im März 2019 zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Er selbst und Familienangehörige haben nach Angaben von Memorial Tschetschenien verlassen; er lebt in Moskau und hat seine Menschenrechtsaktivitäten wiederaufgenommen. Im September 2020 wurde Salman Tepsurkaew, Moderator eines Tschetschenien-kritischen Telegram-Kanals aus der Region Krasnodar vermutlich gewaltsam nach Tschetschenien verbracht. Anschließend wurde im Internet ein Video zirkuliert, auf dem er sich - offenbar unter Zwang - selbst sexuell erniedrigt. Er ist seitdem verschwunden. Tschetschenische Behörden verweigern bislang eine Aufklärung des Falls (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 28. September 2022, S. 14; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation vom 9. November 2022, S. 9-10 und 21 ff.).
Auf föderaler Ebene sind das Innenministerium (MVD), der FSB, das Untersuchungskomitee und die Generalstaatsanwaltschaft auf allen Regierungsebenen in der Russischen Föderation für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und der Terrorismusbekämpfung betraut, aber auch mit Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und bekämpft Kriminalität. Die Aufgaben der Föderalen Nationalgarde sind die Sicherung der Grenzen gemeinsam mit der Grenzwache und dem FSB, die Administrierung von Waffenbesitz, der Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität, der Schutz der öffentlichen Sicherheit und der Schutz von wichtigen staatlichen Einrichtungen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation vom 9. November 2022, S. 24). Dafür, dass Personen - die wie der Kläger - in die Türkei, die von tschetschenischen Extremisten, die sich dem sogenannten „Islamischen Staat“ in Syrien anschließen wollen, als Reiseroute genutzt wird, für einen nicht unerheblichen Zeitraum reisen, Kontakte mit im türkischen Exil lebenden, ehemaligen und nach wir vor in separatistische Aktivitäten eingebundene Kämpfern aufrechterhalten und sich mit Vertretern von Doku Umarow solidarisieren, ins Visier des FSB geraten können, belegen auch die Feststellungen des Kammergerichts Berlin in dem im Rahmen des „Tiergartenmord“- Prozesses ergangenen, vorbezeichneten Urteil vom 15. Dezember 2021 in Sachen 2 StE 2/20 (abrufbar unter juris). So heißt es unter Rn. 24 - 29 des Urteils unter anderem wie folgt:
„Am 13. Juli 2012 übermittelte die Vertretung des russischen Inlandsnachrichtendienstes FSB an der Russischen Botschaft in Berlin dem Bundeskriminalamt ein Schreiben, in welchem sie über das „Imarat Kaukasus“ informierte. Ziel des „Imarat Kaukasus“ sei die Destabilisierung der Lage im Nordkaukasus mittels der Vollziehung terroristischer Akte an Stellen, wo es zu Massenansammlungen von Menschen komme, sowie durch die Ermordung von Mitarbeitern der Polizei, Vertretern der Regierungsmacht und von Geistlichen. Ein Teil der Kämpfer plane, über die georgisch-russische Grenze auf russisches Territorium vorzudringen. Leiter der „Banditen“ um Doku Umarov. seien Ed., A. Ch. und A. U. Für die Ausbildung von Kämpfern seien der später Geschädigte Z. Kh. und Da. v verantwortlich. Dem Schreiben war eine Liste mit (angeblichen) Mitgliedern des „Imarat Kaukasus“ beigefügt. Unter der Überschrift „Die Koordinatoren des Übertritts“ heißt es u.a.: „Z. Kh., („dyschno“), geb. 1978 in Dyisi in der Rayon Akhmetsk/Georgien; wohnhaft Tiflis/Georgien“.
Nach den Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes sowie des Landeskriminalamtes Berlin leben fünf der insgesamt 19 aufgeführten Personen mittlerweile nicht mehr. Neben dem hiesigen Tatopfer handelt es sich dabei um folgende Personen:
- Ed. wurde im November 2015 in Istanbul durch zwei Angreifer gezielt getötet.
(…)
- B. Ch. wurde beim Überqueren der syrisch-türkischen Grenze festgenommen und starb am 17. Februar 2014 in türkischer Gefangenschaft unter ungeklärten Umständen.“
Von einer Verfolgung von Kämpfern des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges einzig und allein aufgrund ihrer Teilnahme an Kriegshandlungen ist heute im Allgemeinen zwar nicht mehr auszugehen. Aktuelle Beispiele zeigen jedoch, dass Kadyrow gegen bekannte Kritiker, die manchmal auch der „Republik Itschkeria“ zuzurechnen sind, auch im Ausland vorgeht. Beispielsweise wurde im August 2019 der soeben in Bezug genommene ethnische Tschetschene Selimchan Changoschwili aus dem georgischen in Berlin auf offener Straße ermordet. Er hat im zweiten Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft und dürfte nicht, wie teilweise in den Medien kolportiert, Islamist gewesen sein, sondern ein Kämpfer in der Tradition der „Republik Itschkeria“. Auch soll er damals enge Verbindungen zu dem damaligen moderaten Präsidenten Aslan Maschadow gehabt haben. Der sehr prominente tschetschenische Separatistenpolitiker im Exil Achmad Sakaew, der als „Ministerpräsident“ der „tschetschenischen Exilregierung“ und Vertreter von „Itschkeria“ gilt, gab 2020 eine Erklärung ab, in der er Folterungen in Tschetschenien verurteilte. Die tschetschenischen Behörden zwangen Sakaews Verwandte sofort, sich öffentlich von ihm loszusagen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation vom 9. November 2022, S. 53-54).
Dass es sich wie von dem Kläger angegeben bei den Vertretern der „Tschetschenischen Republik Itschkeria“ in Deutschland um einen überschaubaren und damit besonders exponierten Personenkreis handelt, bestätigt der Verfassungsschutzbericht des Bundes aus dem Jahre 2015, in dem die Anzahl der Mitglieder/Anhänger in Deutschland mit gerade mal 30 beziffert wurde.
Die klägerseits befürchteten und glaubhaft vorgetragenen Verfolgungshandlungen knüpfen an seine politische Überzeugung i. S. v. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG an.
Ein Ausländer wird gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt, wenn dies geschieht, weil der Ausländer eine bestimmte Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, und zwar in einer Angelegenheit, die die in ... § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft. Dabei genügt es, dass dem Ausländer diese Überzeugung von seinem Verfolger zugeschrieben wird (§ 3b Abs. 2 AsylG). Die politische Überzeugung wird in erheblicher Weise unterdrückt, wenn ein Staat mit Mitteln des Strafrechts oder in anderer Weise auf Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des einzelnen schon deshalb zugreift, weil dieser seine mit der Staatsraison nicht übereinstimmende politische Meinung nach außen bekundet und damit notwendigerweise eine geistige Wirkung auf die Umwelt ausübt und meinungsbildend auf andere einwirkt(BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29/17 - juris, Rn. 21-22).
Nach diesen Maßgaben ist die dem Kläger seitens der tschetschenischen als auch russischen Sicherheitsbehörden drohende Verfolgung politisch motiviert. Denn angesichts der Unterstützung der Unabhängigkeitsbewegung durch den Kläger schreiben die russischen als auch tschetschenischen Sicherheitsbehörden dem Kläger eine abweichende politische Überzeugung zu. Unabhängigkeitskämpfer und Gegner des Regimes von Kadyrow werden vom FSB und Kadyrow nach den vorbezeichneten Ausführungen als politische Gegner eingestuft und durch körperliche Gewalt bis hin zur Tötung sanktioniert. Danach gefragt, auf welche Überzeugung sein Engagement für die „Republik Itschkeria“ zurückzuführen sei, führte der Kläger wörtlich aus: „Wenn man sich unsere Geschichte anschaut, so wird das ganz klar. Wir wurden lebenslang nicht in Ruhe gelassen. Wenn das ein normales Land wäre, dann hätten wir keine Kriege. Man würde uns leben lassen. Wir sind ja nicht so verrückt, gegen so ein mächtiges Land zu kämpfen. Die lassen uns nicht weg. Wir waren nicht freiwillig Teil von Russland. Auch bei der Ukraine gibt es keinen Grund. So war es auch mit uns. Unsere Väter haben uns gesagt, dass Russland unser Feind ist. Sie vernichten die Geschichte. In Büchern wird darüber nichts berichtet. Nur durch die Väter wird es weiter gegeben. Es kann keine Rede von einer Demokratie sein. Wir wollen unabhängig sein und das Land für uns haben. Das ist die Motivation dahinter. Wir wollen keine Sklaven sein. Jetzt werfen sie einfach unsere Leute da rein in den Krieg in der Ukraine, weil wir so unnütz für sie sind. Es sind damals auch viele Ukrainer während der Tschetschenienkriege nach Tschetschenien gegangen, um uns dort zu helfen. Gegenüber uns war Russland immer ungerecht. Am Ende des 2. Weltkrieges haben sie einen Teil von uns zum Kämpfen geschickt und einen Teil haben sie deportiert. 50 % sind an Hunger gestorben. Während der Kriege wurden 300.000 Menschen ermordet, wovon 45.000 Menschen minderjährig waren.“
Die russischen und tschetschenischen Sicherheitsbehörden stellen auch taugliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 1 AsylG dar.
Dem Kläger steht in der Russischen Föderation auch keine inländische Fluchtalternative nach § 3e Abs. 1 AsylG zur Verfügung.
Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).
Für russische und tschetschenische Behörden ist es möglich, eine Person aufzufinden und zurück in den Nordkaukasus zu bringen, wenn sie offiziell von der Polizei gesucht wird (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation vom 9. November 2022, S. 96). Am ... ... ... ... 20. Januar 2022 etwa haben Männer, die dem Sicherheitsapparat des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow zuzurechnen sind, die Frau des Richters Sajdi Jangulbajew aus dem 400 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Nischni Nowgorod nach Tschetschenien verschleppt, wo sie anschließend inhaftiert wurde. Kadyrow verdächtigt zwei Söhne Jangulbajews, hinter einem regimekritischen Telegram-Kanal namens „1ADAT“ zu stehen. ... Die übrigen Mitglieder der Kernfamilie des Richters sind alle ins Ausland geflohen. Kadyrow droht, sie auch dort zu finden und zu „vernichten“ (https://www.faz.net/aktuell/politik/tschetschenien-ausser-kontrolle-kadyrows-blutrache-und-putins-schweigen-17779611.html).
Die Tschetschenische Republik ist offiziell Teil der Russischen Föderation. Obwohl Kadyrow die Polizei, die Sicherheitsbehörden und die Gerichte mit seinen eigenen Anhängern dicht besetzt hat, damit ihm ihre tatsächliche Macht zur Verfügung steht, so sind sie auch mit dem restlichen Machtapparat der Russischen Föderation verbunden. Dadurch können die tschetschenische Abteilung des FSB, der örtliche Ermittlungsausschuss und die Staatsanwaltschaft sowie das MVD und andere Behörden auf die Daten ihrer Amtskollegen landesweit zugreifen. Dies erstreckt sich auf die Ausstellung von Haftbefehlen und das Setzen von "Überwachungsvermerken" und ähnlichen Markierungen in nationale Datenbanken (einschließlich derjenigen, die zum Prüfen der Identitätsdokumente bei Ein- und Ausreise verwendet werden), mit der Erwartung, dass sie vollstreckt werden. Tatsächlich vollstrecken die Gerichte und die Polizei in Russland in Tschetschenien ausgestellte, rechtskräftige Haftbefehle, was normalerweise zur Rückführung nach Tschetschenien für das Gerichtsverfahren oder das Verbüßen einer Strafe führt (Galeotti, Lizenz zum Töten? Das Risiko für Tschetschenen innerhalb Russlands, Juni 2019, S. 6).
Wie bereits aufgezeigt, fallen Ermittlungen wegen terroristischer Aktivitäten, der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder logistischer Unterstützung von Aufständischen innerhalb der Russischen Föderation in die Zuständigkeit des FSB, bei Bezügen zu militärischen Interessen auch in die Zuständigkeit des Militärnachrichtendienstes. In Tschetschenien ist hingegen die Verantwortlichkeit für die Eindämmung terroristischer Aktivitäten weitgehend auf die Sicherheitsbehörden der Teilrepublik übertragen worden. Die tschetschenische Außenstelle des föderalen FSB ist nur selten in Einsätze im Zusammenhang mit Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung eingebunden. In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle werden derartige Operationen durch die tschetschenische Polizei oder paramilitärische Sondereinsatzkräfte durchgeführt, die sich fast ausschließlich aus tschetschenischen Volkszugehörigen rekrutieren. Eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen tschetschenischen Sicherheitskräften und föderalen Behörden ist regelmäßig nicht zu verzeichnen (VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17. Juni 2020 - 6 K 741/13.A - juris, Rn. 18; http://government.ru/en/department/113/).
Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen lassen. Sofern keine Strafanzeige vorliegt, können Untergetauchte durch eine Vermisstenanzeige ausfindig gemacht werden. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlen sich daher häufig auch in russischen Großstädten vor dem „langen Arm“ des Regimes von Ramsan Kadyrow nicht sicher (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 28. September 2022, S. 17).
Es kann zudem sein, dass die tschetschenischen Behörden nicht auf den vorbezeichneten, offiziellen Weg zurückgreifen, da diese Vorgehensweise eine schlüssige Begründung erfordert und häufig lange dauert. Sicherheitskräfte, die Kadyrow zuzurechnen sind, sind nach Aussagen von Nichtregierungsorganisationen (NGO‘s) etwa auch in Moskau präsent. Verhaftungen durch tschetschenische Gesetzeshüter, die straffrei russlandweit operieren, und inoffizielle Überstellungen nach Tschetschenien sind gleichwohl weniger üblich. NGO‘s berichten jedoch von Einzelfällen aus Tschetschenien, in denen entweder die Familien der Betroffenen oder tschetschenische Behörden Flüchtende in andere Landesteile verfolgten, sowie von LGBTI-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transexuell/Transgender und Intersexual), die gegen ihren Willen von einem innerstaatlichen Zufluchtsort nach Tschetschenien zurückgeholt und dort Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden seien. Solche Fälle betrafen in mehreren Fällen, über die NGO‘s sowie unabhängige Journalisten berichteten, neben LGBTI-Personenauch Oppositionelle und Regimekritiker, darunter ehemalige Kämpfer und Anhänger der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung. Morde wiederum, die auf Kadyrows Anweisungen oder eigeninitiativ innerhalb der Grenzen Russlands erfolgten, betrafen keine kleinformatigen Ziele, sondern seriöse politische Figuren, die mit Kadyrow selbst in Konflikt geraten waren, wie etwa Oppositionspolitiker, Clan-Machthaber oder Menschenrechtsaktivisten (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 28. September 2022, S. 17; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation vom 9. November 2022, S. 22-23; Galeotti, Lizenz zum Töten? Das Risiko für Tschetschenen innerhalb Russlands, Juni 2019, S. 2, 12 und 16).
Trotz der Rolle nationaler Datenbanken und Registrierungsgesetze, die eine Rückverfolgung von Personen ermöglichen, besteht für betroffene Personen ein gewisser Spielraum, Anonymität und Sicherheit in Russland zu finden, allerdings abhängig von den spezifischen Umständen. Die russischen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sind gerade vor dem Hintergrund der schlechten Beziehungen zwischen den tschetschenischen Machtstrukturen und denen ihrer Nachbarn sowie den gesamtrussischen Behörden in Moskau im Allgemeinen oft nicht bereit, als tschetschenische Vollstrecker aufzutreten, da sie oft skeptisch gegenüber Forderungen aus Grosny sind. Die föderalen Sicherheitsbehörden machen einen deutlichen Unterschied zwischen der Behandlung von Personen, die wegen Verbrechen in Tschetschenien gerichtlich verurteilt wurden, aufgrund einer klaren Beweislage einer schwerwiegenden, insbesondere politischen Straftat verdächtigt werden oder etwa der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind und von jenen, welchen nur vorgeworfen wird, Verbrechen begangen zu haben, bzw. tschetschenienrelevanten Polizeifällen, die nicht schwerwiegend genug sind, um von Staatsanwälten oder dem FSB übernommen zu werden. Insofern ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Tschetschene, der von Tschetschenien aus verfolgt wird, anderswo in Russland aktiv misshandelt wird, wenn nicht bereits ein Gerichtsurteil ergangen ist oder andere Behörden - im Wesentlichen der Inlandsgeheimdienst FSB, Generalstaatsanwaltschaft, Untersuchungskommission - davon überzeugt sind, dass ein substanzielles politisches Fehlverhalten oder ein Fall von organisierter Kriminalität vorliegt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 28. September 2022, S. 17; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation vom 9. November 2022, S. 22-23; Galeotti, Lizenz zum Töten? Das Risiko für Tschetschenen innerhalb Russlands, Juni 2019, S. 11-12).
Hinsichtlich der Frage, in welchen Fällen ein derartiges besonderes Verfolgungsinteresse besteht, folgt das Gericht den überzeugenden Darlegungen
des Historikers und Leiters des Zentrums für Europäische Sicherheit in Prag
Mark Galeotti in seinem im Juni 2019 veröffentlichten Gutachten „Lizenz zum Töten? Das Risiko für Tschetschenen innerhalb Russlands“. Seiner Recherche zur Folge seien die Feinde von Ramsan Kadyrow sowohl in der Russischen Föderation wie auch außerhalb des Landes mit Gewalt oder Einschüchterung konfrontiert, und sein Sicherheitsapparat und seine Elite würden gleichermaßen über beträchtliche, wenn auch geringere, Mittel und Freiheit, um jede beliebige Person zu verfolgen, verfügen. Zwar erstrecke sich dies auch zu einem bestimmten Grad über die Grenzen Tschetscheniens hinweg auf den Rest der Russischen Föderation, aber weitverbreitete Annahmen über die Straffreiheit, mit der sie operieren und ihre Fähigkeit, jede beliebige Person zu finden und ins Visier zu nehmen, seien bei genauer Betrachtung stark vereinfacht. So würden nicht alle tschetschenienrelevanten Fälle in den nationalen Datenbanken landen. Zudem gäbe es einen klaren Unterschied zwischen der Behandlung von Personen, die in Tschetschenien wegen einer Straftat verurteilt wurden, und denen, die derer nur beschuldigt werden (Galeotti, Lizenz zum Töten? Das Risiko für Tschetschenen innerhalb Russlands, Juni 2019, S. 2-3, 7 und 10).
Galeotti differenziert hinsichtlich des Verfolgungsrisikos zwischen folgenden vier „Risikovarianten“:
„Personen, die persönlich im Visier von Kadyrow oder einem seiner höheren tschetschenischen Beamten sind, ob durch offizielle Kanäle oder nicht, können anderswo in Russland und auch außerhalb des Landes als bedroht angesehen werden, zumindest bis eine Lösung des Streits erreicht worden ist. Wenn sie aufgespürt werden, steht ihnen die glaubhafte Androhung von Gewalt bis hin zu und einschließlich der Ermordung bevor, und offizielle Anklagen sind auch möglich. (…)
Personen, die wegen einer Straftat verurteilt wurden oder die glaubhaft verdächtigt werden, ein Terrorist oder aktiver Unterstützer des Terrorismus zu sein, werden voraussichtlich innerhalb der gesamten Russischen Föderation gesucht. Wenn sie aufgespürt werden, ist ihre Verhaftung und Rückführung nach Tschetschenien wahrscheinlich. (…)
Personen, die offiziell einer Straftat angeklagt sind, aber nicht verurteilt wurden, werden zwar vermutlich innerhalb der Russischen Föderation gesucht, sind aber wahrscheinlich nicht der Gegenstand einer aktiven Suche seitens der tschetschenischen oder anderer russischer Behörden, sofern die Anklage nicht schwerwiegend genug ist, um die Aufmerksamkeit des Föderalen Sicherheitsdienstes oder eines Ermittlungsausschusses zu verdienen. Allerdings, falls und wenn sie von den Behörden beispielsweise durch Passkontrollen oder Wohnsitzregistrierung entdeckt werden, können sie verhaftet werden, oder die Behörden, die nach ihnen suchen, werden zumindest auf ihren Aufenthaltsort aufmerksam. Ersucht Grosny dann um ihre Verhaftung und Rückführung zurück nach Tschetschenien, so wird dem in der Regel entsprochen. (…)
Sonstige Personen, die die tschetschenischen Behörden oder Gruppen sowie Personen, die inoffiziell für sie arbeiten, verärgert haben, werden wesentlich weniger klar bedroht. Abhängig von der Art des Streits und der Position der Verfolger ist es möglich, dass sie ausfindig gemacht werden, entweder zum Zwecke der Einschüchterung oder Gewalt, oder der Verhaftung. Der Konsens zwischen den Quellen und den vorhandenen Beweisen lässt jedoch vermuten, dass dies unwahrscheinlich ist, sofern es sich nicht um größere Schulden oder andere Finanzbeteiligungen handelt. Diese Personen werden nicht sicher wieder nach Tschetschenien zurückkehren können, bis dieser Streit beigelegt ist, und ihre Familie und ihr Vermögen in Tschetschenien könnte in Gefahr sein. Darüber hinaus können sie aber wahrscheinlich unbehelligt leben, falls sie nicht ihre Verfolger direkt bedrohen oder herausfordern oder in ihrer Angelegenheit anderweitig Druck machen, oder falls die Verfolger nicht willens und in der Lage sind, die Angelegenheit zumindest auf eine halboffizielle Ebene zu eskalieren (wie die Verwendung des tschetschenischen Föderalen Sicherheitsdienstes, um einen Beobachtungsvermerk in ihre Akte zu setzen). Es ist natürlich oft schwer zu ermessen, ob diese Umstände auftreten werden oder nicht (…)“
Nach diesen Maßgaben besteht im Falle des Klägers ein landesweites Verfolgungsinteresse föderaler, in jedem Falle jedoch ein landesweites Verfolgungsinteresse tschetschenischer Sicherheitsbehörden. Der Kläger gehört gerade nicht zu den politisch unverdächtigen Tschetschenen, bei denen regelmäßig von einer inländischen Fluchtalternative auszugehen ist. Vielmehr fällt er in den Personenkreis, der glaubhaft verdächtigt wird, ein aktiver Unterstützer des Separatismus zu sein. Bereits vor der Ausreise hat sich dieses Verfolgungsinteresse insoweit manifestiert, als tschetschenische Sicherheitsmitarbeiter auf Ersuchen des FSB den Kläger aus Moskau nach Tschetschenien zurückgeführt haben. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger entgegen der anschließend gegenüber den tschetschenischen Sicherheitsbehörden abgegebenen Verpflichtungserklärung, in ihrem Auftrag ehemalige, im Exil in der Türkei lebende Kämpfer auszuspähen und zu ermorden, das Land verlassen und zudem nunmehr ein, wie sogleich ersichtlich wird, nach dem russischen Strafgesetzbuch in Bezug auf mehrere Paragraphen strafrechtlich relevantes, exilpolitisches Verhalten an den Tag legt, ist das Verfolgungsinteresse umso größer. So besagt Art. 67 S. 2 der russischen Verfassung, dass Aktionen, die darauf abzielen, einen Teil des Territoriums der Russischen Föderation zu entfremden, sowie Aufforderungen zu solchen Aktionen nicht zulässig sind. Art. 12 Abs. 1 des russischen Strafgesetzbuchs besagt, dass Bürger der Russischen Föderation, die außerhalb der Russischen Föderation eine Straftat gegen die durch dieses Gesetz geschützten Interessen begangen haben, der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach diesem Gesetzbuch unterliegen, wenn in Bezug auf diese Personen keine Entscheidung eines Gerichts eines ausländischen Staates für dieses Verbrechen ergeht. So sind nach Art. 280 Abs. 1 des russischen Strafgesetzbuchs öffentliche Aufrufe zu Maßnahmen zur Verletzung der territorialen Integrität der Russischen Föderation, also etwa zum Separatismus, strafbar. Darüber hinaus stellt Art. 205.4 des russischen Strafgesetzbuchs die Schaffung einer terroristischen Gemeinschaft, d. h. einer stabilen Gruppe von Personen, die sich im Voraus zum Zwecke der Durchführung terroristischer Aktivitäten und Verbrechen zum Zwecke der Propaganda, Rechtfertigung und Unterstützung des Terrorismus zusammengeschlossen haben, unter Strafe. Resümierend besteht die reale Möglichkeit, dass der Kläger im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation im Anschluss an die amtliche Registrierung oder eine Polizeikontrolle - wie bereits einmal in Moskau geschehen - ggf. unter Mithilfe föderaler Behörden von den tschetschenischen Sicherheitsbehörden aufgespürt, verhaftet und nach Tschetschenien zurückgeführt wird und ihm dann eine langjährige Gefängnisstrafe bis hin zur gezielten Tötung drohen. Er gehört gerade nicht zu den "low-profile Zielpersonen", die nicht offiziell gegen Kadyrow eingestellt sind und damit bei einer Neuanmeldung in anderen Landesteilen eine Rückführung nach Tschetschenien in der Regel nicht zu befürchten haben. Vielmehr ist der Kläger als "high-profile Zielperson" anzusehen, zu denen beispielsweise ehemalige Kommandeure, Kämpfer oder Repräsentanten der "Itschkeria-Bewegung" gehören, aus deren Kreis zwischen 1999 und 2015 mindestens neun Personen im Ausland getötet wurden. Diese Personen sind der Gefahr von Racheakten durch Mitglieder von Kadyrows Geheimdienst sowohl in der Russischen Föderation als auch im Ausland ausgesetzt (so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 19. August 2020 - 10 K 294/18.A - juris, Rn. 122 - 125 und VG Berlin, Urteil vom 12. Oktober 2021 - VG 33 K 614.16 A - juris, S. 14-15).
Die Tatsache, dass die exilpolitische Tätigkeit des Klägers erst nach der Ausreise aus der Russischen Föderation erfolgt ist, steht der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegen. Denn § 28 Abs. 2 Asyl besagt, dass die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auf Ereignissen beruhen kann, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer - wie im Falle des Klägers - bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.
Schließlich stehen § 3 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet. Zwar wurde die „Nordkaukasische Separatistenbewegung“, zu der auch die „Tschetschenische Republik Itschkeria“ gehört“ in den Verfassungsschutzberichten des Bundesministeriums für Inneres in den Jahren 2012 und 2015 erwähnt. Bereits dort kam der Bericht jedoch zu dem Ergebnis, dass von den Anhängern in Deutschland nach bisherigen Erkenntnissen keine Bedrohung für Personen oder Einrichtungen ausgehe. Deutschland diene primär als Rückzugsraum für die finanzielle und logistische Unterstützung der Organisation im Nordkaukasus. Die Organisation habe sich zu einer legalistischen Bewegung entwickelt und beschränke sich auf die politische Durchsetzung ihres Unabhängigkeitsbestrebens für Tschetschenien. In den Verfassungsschutzberichten des Bundes der Folgejahre wurde die „Tschetschenische Republik Itschkeria“ bereist nicht mehr erwähnt. Jedenfalls fordert § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG, dass der Ausländer - was im Falle des Klägers nicht der Fall ist - wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist.
Die unter Nummer 5 des streitgegenständlichen Bescheides verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind angesichts der Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter Nummer 1 ebenfalls rechtswidrig und daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Denn § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG besagt, dass das Bundesamt eine schriftliche Abschiebungsandrohung nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG nur dann erlassen darf, wenn dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird. Dies hätte nach den vorangegangenen Ausführungen jedoch geschehen müssen. Da die Voraussetzungen für die Abschiebungsandrohung nicht vorlagen, war das Bundesamt auch nicht berechtigt, den Kläger nach § 59 Abs. 1 AufenthG aufzufordern, die Bundesrepublik freiwillig zu verlassen. Auch Nummer 4 ist aufzuheben, da die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen, regelmäßig gegenstandslos wird, wenn die Klage auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz Erfolg hat. Gleiches gilt für die unter Nummer 3 erfolgte Ablehnung subsidiären Schutzes. Auch die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Nummer 6 des streitgegenständlichen Bescheides ist rechtswidrig, da es infolge der Rechtswidrigkeit der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung an den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verfügung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG fehlt.
Über die lediglich hilfsweise gestellten Anträge auf die Verpflichtung des Bundesamts zur Gewährung subsidiären Schutzes, jedenfalls Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes, ist nicht mehr zu entscheiden, da die Klage bereits mit dem vorrangig gestellten Antrag auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz erfolgreich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die sachliche Gerichtskostenfreiheit resultiert aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).